Ausstellung: Naturbeobachtungen, Werke von Kirsten Treis, Bonn

Werke von Kirsten Treis aus Bonn – Kunst aus Naturbeobachtungen in der Ausstellung

  1. September bis 21. Oktober 2023
    Malerei
    Vernissage: Sonntag 3. September 2023, um 11 Uhr
    Zur Eröffnung spricht Kirsten Schwarz M.A.
Bild: Kirsten Treis: Callasumpf, Acryl auf Leinwand, 90 x 120 cm, 2023

Die Bonner Malerin Kirsten Treis zeigt in der Artgalerie Siegen farbenfrohe Bilder, die von Natur und Landschaft handeln. Auf Ausflügen und in Gärten beobachtete flüchtige Alltagsmomente sind die Grundlage ihrer lebendigen Arbeiten. So summen Insekten auf Blüten, strudeln Blätter im Wasser, versammeln sich Frösche zu einem großartigen Konzert oder locken heimische und fremdländische Pflanzen in grüne Oasen.
Die Bilder sind mal gegenständlich, mal abstrakter, mal naturgetreu, mal komponierter. Vor allem fordern sie dazu auf, genau hinzusehen. Denn eindeutig sind diese Bilder nur auf den ersten Blick. Immer wieder fängt Kirsten Treis scheinbar Nebensächliches ein und gestaltet damit neue Schwerpunkte. Sie ist fasziniert von der Schönheit des Augenblicks, wenn Licht Sonnenflecken zaubert und Unerwartetes plötzlich in den Focus rückt. Blüten, Blätter, Baumstämme, Geäst werden zu farbenprächtigen Stillleben arrangiert. Mal schimmern sie blau wie Glas, dann sind sie braun und schwer wie die Erde. Mal leuchten sie rot wie der Herbst, wenn alle Farben noch einmal aufglühen. Diese Bilder sind Einladungen, mit den Augen spazieren zu gehen.
Die Malerin verwendet Acrylfarben und schätzt das Leichte, Aquarellige, das diese Farben ermöglichen. Der Farbauftrag erfolgt in mehreren, teils lasierenden Schichten, wobei es Kirsten Treis wichtig ist, das Luftige der ersten Untermalung stellenweise auch im fertigen Bild durchblitzen zu lassen.
Ihre Motive hält sie auf Streifzügen durch die Umgebung mit eher naturwissenschaftlichem Blick zunächst mit der Kamera fest. Angeregt durch diese Fotografien entstehen später im Atelier ihre Arbeiten, wobei sie bei der Umsetzung frei mit Farben und Formen spielt.
Treten Sie auch einmal einen Schritt zurück. Sie werden feststellen: Wer sich auf diese Bilder einlässt, kann sich in ihnen verirren und dabei gleichzeitig die Magie des Augenblicks spüren.

Zur Eröffnung sprach Kirsten Schwarz M.A.:

Kirsten Treis aus Bonn: Arbeiten in Farbe von Naturbeobachtungen in der Siegener Ausstellung

‚Die Natur ahmt nicht die Kunst nach, sondern die Kunst die Natur. Aber wenn die Kunst der Natur zu Hilfe kommt, so kann sie das vollenden, was die Natur noch unvollendet gelassen hat.‘

Dieser Satz des Philosophen Aristoteles aus seinen Beobachtung zur Naturnachahmung ist bis heute ein Ausgangspunkt der Überlegungen zur abbildenden Kunst der Malerei. Die Idee, dass die genaue Beobachtung der Natur zu ihrem Verständnis beiträgt, ist bis heute grundlegend für das Entstehen der Naturwissenschaften. Die Malerei hingegen sollte nach Aristoteles die Natur imitieren.

Durch die Jahrhunderte hielt sich das Paradigma der bildenden Kunst als möglichst genaue Darstellung der uns umgebenden Wirklichkeit. Doch Paul Cezanne ging als einer der revolutionären Maler des 19. Jahrhunderts einen neuen Weg in der Naturdarstellung: er wollte, ausgehend von genauer Beobachtung der Natur, diese in seinen Bildern neu schöpfen. Es ging ihm darum, die durch das subjektive Sehen hindurchgegangene Natur noch einmal in einem anderen Medium entstehen zu lassen.

Was wir hier in dieser Ausstellung von Kirsten Treis in wunderbar farbigen Werken sehen, ist genau das: eine Neuschöpfung der Natur durch die subjektive bildnerische Gestaltung. Dabei ist das Motiv auf den ersten Blick meist klar zu benennen. Blüten, meist sogar als Blumentyp erkennbar, Pflanzen, Tierarten, Jahreszeiten, Lebenswelten, alles ist bestimmbar. Doch findet sich in jedem ihrer Bilder eine Irritation, ein Stutzen bei der näheren Betrachtung. Farben verschwimmen, eigentlich feste Substanzen scheinen transparent, eine Farbe nicht dem Bildelement zugehörig.
Ist es vielleicht doch kein Abbild der Natur, wie zuerst vermutet?
Kirsten Treis beobachtet und malt die Natur seit fast 20 Jahren. Dabei wechselte der Blick auf die Lebensräume, die sie zeigen möchte, zwischen Garten, Park, Wasserwelten und Wald. Natur findet man in der Kulturlandschaft, wie auch in natürlich gewachsenen Habitaten. Die Malerin, gelernte Biologin, kennt die Natur, sie kann Pflanzen wissenschaftlich bestimmen und weiss, welche Tierarten in welchem Lebensraum zu finden sind. Sie kann typisieren und katalogisieren. Aber sie malt. Sie malt die Natur im Kleinen, sie durchstreift ihre Umgebung und nimmt Alltägliches in der Natur wahr.
Eine einfache Kleinbild-Digitalkamera hilft ihr, die Eindrücke festzuhalten. Aus der Nähe beobachtet sie oft scheinbar unspektakuläre Geschehen, wie die Tätigkeiten von Amphibien und Insekten. Auch Blüten und Pflanzen, die in ihrer Umgebung, dem Rheinland, heimisch sind oder in Gärten angepflanzt wurden, setzt sie in Szene. Sie möchte keine große Landschaft zeigen, kein atemberaubendes Panorama. Die gewählten Ausschnitte aus dem Naturraum kann man nachempfinden, wenn man offenen Auges durch den Garten oder den nahen Wald spaziert. Stehenbleiben, Innehalten, hinunter beugen, in Augenschein nehmen. Der häufig genutzte Ausdruck ‚Freude an den kleinen Dinge‘, gewinnt an Tiefe, wenn man diese Freuden nicht nur konsumiert, sondern transferiert.
Kirsten Treis sieht ihre Beobachtungen als Einstieg in einen kreativen Prozess. Sie möchte nichts dokumentieren, im Gegenteil. Ihre Herangehensweise beinhaltet die Verfremdung des fotografierten Motivs in ein malerisches Ereignis. Dabei bleibt der Schaffensprozess oft sichtbar: Die Untermalung scheint an vielen Stellen durch und lässt Farben differenzierter erscheinen, Farbschlieren zeigen die Stofflichkeit des Bildes, Undurchsichtiges wirkt opak. Hier wurde gemalt, um die Natur in einem neuen Licht zu zeigen. In einer strahlenden, farbigen und, wie die Künstlerin selbst sagt, ‚künstlichen’ Anmutung. Wir als Betrachtende sehen eben nicht in die ‚Natur‘, bestaunen kein ‚naturgetreues‘ Foto. Wir sehen durch die Augen der Künstlerin auf ein gestalterisch und farblich durchkomponiertes Bild. Eine Neuschöpfung der Natur im Sinne Cézannes.
Kirsten Treis betont in ihren Werken das Verschwenderische der Natur, ihre Pracht und Vielfalt. Aber auch den Vergang und den Wechsel der Jahreszeiten nimmt sie auf und intensiviert in den Werken das Farbspiel von Herbstblättern und vereistem Blattwerk.
Den Prozess des Malens gestaltet sie technisch aufwändig, sie lässt die Acrylfarbe durchlässig wie Aquarell erscheinen, an anderer Stelle ergeben mehrere Farbschichten einen pastosen Effekt. Ihre Fragestellung an die Kunst ist nicht, was male ich, sondern wie male ich dieses Motiv? Die Bildelemente komponiert sie oft aus mehreren Fotografien, denn es soll der malerischer Eindruck verstärkt werden. Dieser ist im Foto als Ansatz zu sehen, es ist die Naturerfahrung, die Momentaufnahme von Farbe und Form. Somit ist es zweitrangig, ob die Pflanze oder der Landschaftsauszug genau so wiedergegeben wird, wie sie eingefangen wurden. Sie durchlaufen den Prozess, den die Malerin vorgibt. Keine Klischees, kein Beschränken auf den Wiedererkennungseffekt.
Kirsten Treis möchte überraschen, sehen, wie weit sie den Abstraktionsgrad steigern kann, um Motive zu forcieren oder den Hintergrund in einer Fülle von Farbflecken aufzulösen, die trotzdem noch an konkrete Natur-Zustände erinnern.
Künstlich gilt als Gegenteil von natürlich, artifiziell steht gegen organisch, doch in der Kunst kann eine Symbiose entstehen: Kunst steht nicht im Gegensatz zur Natur, sie verstärkt und hebt bestimmte Aspekte hervor, veredelt und verändert die natürliche Motivik. Das ist die Macht der Kunst: mit neuem, frischem Blick auf Bestehendes schauen, die Wahrnehmung aktivieren und erstaunen. All die schafft Kirsten Treis mit ihrer Malerei. Das Fenster in die Natur wird zu einem hybriden Abbild aus Betrachtung, Farbempfindung, Kreativität und Respekt vor der Natur, die uns umgibt.

Kirsten Schwarz M.A.