April Gertler

April Gertler
Hole Through Her Head, Jan 2011, 24,00 x 18,50 Magazinabildung auf Zeichenkarton und grüner Bindfaden, Unikat

April Gertler

Die Art- Galerie Siegen präsentiert ab dem 18. September 2011 die Ausstellung:
April Gertler: DAMP PATCHES

Die in Berlin lebende Amerikanische Künstlerin April Gertler, zeigt in Ihrer Ausstellung DAMP PATCHES moderne Collagen.

Es sind poetische Bilder, einer Auseinandersetzung mit Alltäglichkeiten des Lebens.

April Gertler wuchs in den USA auf und machte Ihren BFA am California College of the Arts in Oakland, Kalifornien und Ihren MFA am Bard College in  New York. Seit 2005 lebt April Gertler in Berlin.

Das Leben in der Anonymität der Metropole als Kosmopolitin, in einer globalisierten Welt bestimmt Ihre Arbeiten. Die Ergebnisse von Gertlers Untersuchungen in den unterschiedlichen Medien und verschiedensten Materialien (oftmals bedient sie sich mehrerer in einer Arbeit) sind meist klein und beziehen sich als innere Dialoge auf Aspekte des Alltäglichen – Momente und Kleinigkeiten, die die Künstlerin sieht und hört oder auch selbst hervorruft und in Betracht zieht, während das Leben in der Stadt an uns vorüberfließt.

Obwohl die verschiedenen Arbeiten das Alltägliche widerspiegeln, berüheren Sie allgeimeinwichtige Themen unserer Zeit: Feminismus oder die eigene Weiblichkeit; die Bedeutung von Zeit oder die komplexe Dynamik eigener Beziehungen, Mobilität und Globalisierung; die Anonymität des urbanen Lebens, oder die eigene Intimsphäre, genauso wie die die behutsame Betrachtung des Alterns.

April Gertler: DAMP PATCHES in Siegen

Zur Eröffnung sprach Ingeborg Kellnhofer über die Arbeiten von April Gertler

April Gertler Damp Patches
Collagen

Ausstellungseröffnung
Sonntag, 18. September 2010, 11.00 Uhr
Art- Galerie Siegen

Meine Damen und Herren,
ich kann mir in etwa vorstellen, wie es Ihnen ergangen ist, als Sie die Einladungskarte zu dieser Ausstellung in Händen hielten. Die Vorderseite mit Blick auf vier interessant platzierte weibliche Arme fordert zum Perspektivwechsel durch Drehen der Karte auf. Winzig klein erfahren wir, es sind „The 4 Lefties“, eine aktuelle Arbeit von April Gertler. Der Titel zur Ausstellung „Dump Patches“ gibt einige Rätsel auf und irritiert, aber wir haben immerhin den Verweis, es werden Collagen zu sehen sein. Wenn das nicht neugierig macht!

Die seit 2005 in Berlin lebende amerikanische Künstlerin April Gertler
studierte in Oakland Kunst und in New York Fotografie. Im Oktober 2010 wurde sie zu einem Arbeitsaufenthalt nach Paris eingeladen. Aus einer neuen Sammlung von Arbeiten entwickelte sie dort ihr Künstlerbuch „Damp Patches“. Einige Originalvorlagen daraus finden wir hier in der Hängung. Das Buch selbst, wurde mit dem Risographen gedruckt, einer Maschine die Xerox- Kopierer und Offset- Drucker in sich vereint und im Ergebnis der Qualität des Siebdruckes nahe kommt. Für die Künstlerin eine bedeutende Erfahrung und die Möglichkeit sich auf einer neuen Ebene mit ihren Collagen auseinanderzusetzen. Zum Titel „Damp Patches“ („Feuchte Flecken“) wurde sie inspiriert durch eine Deo- Werbung in der französischen Modezeitschrift „Votre Beaute“ von 1973, wo feuchte Flecken in gewissen Armgegenden als Unannehmlichkeit thematisiert wurden. Dargestellt war eine transpirierende Frau mit peinlichem Gesichtsausdruck und eng an den Körper gepreßten Armen. Mit dicken Seilen umwickelt, wurde sie als die „Gefangene ihrer feuchten Flecken“ bezeichnet. Die suggerierte Botschaft dieser Werbung und die absurde Situation erregten die Aufmerksamkeit der Künstlerin. Uns verrät diese kleine informative Anekdote sehr viel über ihre Arbeitsweise. Zeigt es doch die Vorliebe für assoziative Wortspiele und das interessierte Wahrnehmen und Ausloten eines für sie bedeutenden Momentes, um ihn sich künstlerisch anzueignen.

April Gertlers Collagen beziehen ein breites Spektrum an Medien und Materialien ein. Aus gefundenem Ausgangsmaterial, meist der 60er bis 80er Jahre, wie Fotografien, Anzeigen aus Magazinen, Flohmarktfunden und Papierkorbschnipseln, aber auch eigenen Fotografien werden mit Schere, Klebstoff und Faden und mit der Hände Arbeit neue Kompositionen in veränderten Kontexten geschaffen. Die Freude, die diesem unmittelbaren, experimentellen Prozess innewohnt wird für April Gertler zunehmend relevanter, so sagt sie, da in vielen Bereichen ihres Lebens die digitale Welt dominiert. In der weiteren künstlerischen Bearbeitung kommen zeichnerisch/ grafische Elemente mit Tusche oder Gouache hinzu. Auch vergrößerte, gescannte, wieder fotografierte oder farblich veränderte Fragmente aus dem eigenen Materialkosmos kombiniert die Künstlerin weiter, bis schließlich ein loser Werksverbund entstanden ist.

Werfen wir nun einen Blick auf die Organisation der Arbeiten in ihrer kompositorischen Gesamtaussage. Die flächigen Grundelemente Kreis,Ouadrat und Dreieck treten häufig in Erscheinung., lassen sich jedoch Raum in der Figur- Grund- Beziehung, imVerhältnis zur Fläche. In ihrer Funktion unterstreichen sie die Aussage der Komposition und heben deren inneren Gefühlswert hervor. Gleichzeitig spielt die Linie eine bedeutende Rolle. In konstruktivistischer Manier bildet sie ein gleichwertiges Aufbauelement innerhalb der Fläche in ihrer Beziehung zu Kanten und Rändern und ist Grenze, Halt, Verbindung oder Schnitt. Auch sie nutzt die Künstlerin um Verweise zu tätigen oder Aussagen zu treffen. Das gleiche gilt für die Fadenführung in ihren Arbeiten. Assozieren wir den Faden nicht sofort weiblich?
Sie ergreift ihn, gestaltet und gibt ihm lineare Funktion, formuliert Aussagen zu Tatbeständen der Kommunikation, des Körpers, der Wahrnehmung und des Handelns. Metaphorisch ist der Faden das Medium für Verbindungen und Zusammenhänge. Wer alle Fäden in der Hand hält, kann auch effektvoll an ihnen ziehen. Wer etwas einzufädeln versteht, der schafft Beziehungen, Verknüpfungen, Netzwerke. Insgesamt gesehen liegt die Wirkung der zeitgenössischen Collagen im minimalistisch- konstruktiven Bereich mit dadaistischen Anklängen.

Gertlers Montagen und Eingriffe bei der Gestaltung ihrer Frauenköpfe und das Spiel mit weiblichen Körperteilen erinnern an die Arbeiten der Berliner “Dadasofin“ Hannah Höch und deren weiblichen Blick auf das eigene Geschlecht. Doch tauchen wir ein in April Gertlers Gedankenwelt, nähern wir uns ihren Themen und ihrer wunderbar kreativen Art uns damit zu konfrontieren. Spielerisch leicht kommen sie daher, ihre eher kleinformatigen Kunstwerke. Ziehen uns in ihren Bann mit Fragestellungen und Vermutungen, fesseln unsere Aufmerksamkeit.

Der vergrößerte Frauenakt, aus einem Pornoheft vergangener Zeiten, zeigt die dunkle Scham einer hellblonden Frau, versehen mit dem Fruchtbarkeitssymbol des auf den Kopf gestellten Dreieckes. Sie steht im Blickwinkel des Mannes, symbolisiert durch das mit der Spitze nach oben gerichteten Dreiecks. Ihr natürlich schöner Körper, ihre Haltung und das halb verdeckte Gesicht, wie wenig entspricht es noch dem heutigen Schönheitsideal eines Sexsymbols. Und schon sind wir mittendrin in der Auseinandersetzung und folgen dem feministischen Blick der Künstlerin zu anderen Arbeiten, wo sie nur mit Körperteilen ihrer Akteurinnen experimentiert und diese dennoch sehr präsent sind. Hier eine Frau, der die „Haare auf den Zähnen“ buchstäblich aus dem Mund herauswachsen. Dort die Frauenpower- Frau, die mit geballter Faust weibliche Potenz demonstriert. Oder die Hand mit den rotlackierten Fingernägeln, die den Fujiyama hält, keck daneben das männliche Baumsymbol mit gespreizten Beinen, welche Assoziationen sind da möglich? Dem gegenüber tritt uns eine leuchtendgelbe Frauengestalt entgegen, mystisch, ikonenhaft und erdmuttergleich scheint sie zu schweben. Ein bildhafter Abriß weiblicher Sozialisation und Emanzipation zieht in einem Zeitfenster ab der 70er Jahre an uns vorüber. Mit Witz und Doppelbödigkeit, kraftvoll und provokativ, aber auch leise und poetisch wechselt die Künstlerin die Wahrnehmungsebenen und Zeiten.

Längst wissen wir, das die „4 Lefties“ auf unserer Einladungskarte als Metapher für politisch links Orientierte zu verstehen sind. Das die Welt manchmal auf dem Kopf steht und anders herum gedacht werden muß, ähnlich dem Paar im scherenschnittartigen Haar einer gesichtslosen Frau. Das die kraftvollen Landschaftsbilder etwas mit männlicher Präsens zu tun haben, umfangen von weiblichen Armen.

Selbstbewußt und zweifelnd, anmutig und verführerisch- schön, aber auch flüchtend und suchend agieren sie, die Frauen in Gertlers Collagen. Spiegeln uns Facetten von Weiblichkeit wieder, die auch von der modernen Frau des 21. Jahrhunderts gelebt werden wollen, deren zerrissene Rolle jedoch von Widersprüchlichkeiten, Unvereinbarkeiten und schwindenden Vorbildern geprägt ist. Das Leben in einer globalisierten, technisierten Welt voller Dynamik, Mobilität und rasantem gesellschaftlichen Wandel, stellt auch die Frau vor die Heraus-
forderung sich immer wieder neu erfinden zu müssen. Dazu muß sie mit sich selbst im Gespräch bleiben.

Gertlers Arbeiten tun es. Sie korrespondieren in gekonnter Hängung als große Raumcollage miteinander. Auch hier das gruppierende minimalistische Prinzip, das uns Platz lässt für Blicke und Gedanken. Teilen wir sie, die Freude, die die Künstlerin an ihrer Arbeit hat! Ich habe es getan.

Meine Damen und Herren,
vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Ingeborg Kellnhofer

April Gertler

Preise / Stipendien von April Gertler

1969 Geboren in Wiesbaden
1991 BA Social Science Interdisciplinary Studies, University of California, Berkeley, Berkeley, Kalifornien, USA
1997 BFA Photography, California College of the Arts, San Francisco, Kalifornien, USA
2001/02 MFA Winter Austausch Programm, Städelschule, Frankfurt/M
2002 MFA Photography, Milton Avery Graduate School of the Arts, Bard College, New York, USA

2011 The Guesthouse, Cork Artist Collective, Cork City, IRL, Artist Residency
2010  l’ entrepriseculturelle, Artist Residency, Paris, FR
Syracuse University, Syracuse, NY Visiting artist : lectures and critiques
Camera Work, San Francisco, US, Visiting artist : lecture and critiques
2009 Kunsthøjskol Aerø, Aerø, Denmark Visiting artist and workshop leader
2009 Neither Here nor There, The City Gallery, Leicester, GB – Plakatwand Stipendium
2008 Pour l’Instant, Niort, FR – Artist Residency, Stipendium, Ausstellung und Katalog
2006 Inna, Rojo magazine, Barcelona, ES – Projekt Stipendium von Nike

Ausstellungen von April Gertler (Auswahl)

2011 Basement Projects, Cork City, IRL
Art Galerie, Siege
2010 Serendipity, Atelier Frankfurt, Frankfurt/M, Kuratorin: Anja Rautenstrauch, Samsa, Berlin,
2008 GalerieRautenstrauch, Frankfurt/M
2007 Galleri Image, Århus, DK
Fucecchio Foto Festival – Terza Edition, Fucecchio, IT
2006 PrintServiceGallery, Florenz, IT
Heimspiel, Frankfurt/M, DE

Publikationen von April Gertler (Auswahl)

2011 DAMP PATCHES, Kunst buch, AML-Press, Paris 22 Magazine , Interview
Irish Examiner, Prints of light and darkness, Dixon, Carl, Cork City, IRL, 26 January
2009 ®Ocho: Número Atomico, ROJO magazine, Barcelona
The Black Snapper, Fotografie website, Kuratorin: Inge Hennemann (Fotomuseum Antwerp), (theblacksnapper.com), AU
2008 Profifoto, photographers:network selection 2008 Katalog, Siegen, DE
2007 Journal Frankfurt, Nr. 21/06, Kunst, Frankfurt/M, DE, 6 – 19 October, p. 59
They looked on while it happened., Katalog für Galleri Image, Århus, DK
Århus Stiftstidende, De så det skete, Broch-Lips, Henrik, Århus, DK, 6 März
2006 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Blühende Landschaften, Schütte, Christoph, Frankfurt/M, DE

Sammlungen von April Gertler

Botkyrka Konsthall, Stockholm, Schweden
Rochester Institute of Technology, New York, USA
Virginia Commonwealth University, Virginia, USA
Yale University Artist Book Collections, Conneticut, USA