Das Deutsche Staubarchiv zu Gast in der Art Galerie
Wolfgang Stöcker oder auch der Staubsammler in der Art Galerie mit Exemplaren vom Staubarchiv
Der in Köln lebende Künstler Stöcker, Gründer vom Deutschen Staubarchiv, seit 2004, nahm den 10-jährigen Geburtstag des Museums für Gegenwartskunst zum Anlass im MGK Staub zu sammeln. Diesen werden wir im Rahmen einer Ausstellung kultureller und historischer Stäube aus der ganzen Welt, vom 7. Mai bis zum 18. Juni 2011 in der Art Galerie präsentieren.
Neben der Rauminstallation der Stäube aus dem Deutschen Staubarchiv, präsentieren wir Ihnen auch eine Rauminstallation seiner Zeichnungen aus den Jahren 2008 und 2009 die sich teils kritisch, teils aber mit einem Augenzwinkern dem Thema Reaktoren, Wind-, Wasser-, Luft- und Atomreaktoren widmen. Ein Skizzenbuch über 100 Seiten lädt sie ein, zu blättern, was ein Künstler in Minutenskizzen festhält.
Die Ausstellungseröffnung findet im Rahmen der Eröffnung des Kunstsommers am Kunstaktionstag Kunstwohnen am Samstag den, 7. Mai 2011 um 18.00 Uhr in der Art Galerie, Fürst- Johann-Moritz- Str. 1, 57072 Siegen statt.
Ausgestellte Kunst
Die Ausstellungseröffnung, findet am 7. Mai um 14 Uhr in der Art Galerie, Fürst- Johann-Moritz- Str. 1, 57072 Siegen statt.
Zur Eröffnung sprach Kirsten Schwarz:
Der Staubsammler: Stöcker und sein einzigartiges Staubarchiv
Stöcker wirbelt Staub auf. Im konkreten wie im übertragenen Sinn. Um sein deutsches Staubarchiv zu füllen, muss er Staub aufwirbeln, aufsammeln und eintüten. Dieser Vorgang wiederholte sich bisher etwa 200 mal und so lagert diese stattliche Anzahl an Staubproben aus aller Welt nun sorgfältig erfasst in Stöckers Staubarchiv. Staub im Archiv? Das scheint nicht abwegig zu sein, Staub liegt in Archiven gemeinhin mehr als genug. Auch gelten sie oft als ‚verstaubte’ und damit veraltete Institutionen, wo man in finsteren Gängen auf vergessene Dokumente stößt und von diesen erst zentimeterdicken Staub pusten muss. Für Stöcker sicher eine wunderbare Vorstellung.
Doch hier endet schon die Analogie zum herkömmlichen Archiv, denn er archiviert den Staub an sich. Jene Substanz, die den Archivaren den Schweiß auf die Stirn treibt, den jeder von uns fürchtet, manche sogar hassen. Archive bewahren normalerweise ‚Archivwürdiges’, was das genau ist bestimmt jedoch der Archivar, in diesem Fall Stöcker. Überhaupt gestaltet sich die Arbeit der Archivare heute etwas anders als man vermuten würde, so klärte der Vorsitzende des Bundes deutscher Archivare 2010 auf: “Aufgabe der Archive ist es zu bewahren und auszusondern. Unsere Hauptaufgabe ist aber das Wegwerfen.“ Etwas Weggeworfenem wiederum widmet sich Stöcker. Er sammelt das, was wir nach den Kehren bzw. saugen schnell entsorgen und was sich die wenigsten einmal genauer angesehen haben – den Kehricht.
Stöcker und das Deutsche Staubarchiv
Stäube aller Art setzen sich in Räumen fest, vor allen kommen sie immer wieder, trotz aller Bemühungen. Diese Hartnäckigkeit beeindruckte Stöcker so sehr, dass er beschloss, Staub aus öffentlichen Gebäuden zu sammeln. Denn ein weiterer interessanter Aspekt des Staubes ist sein demokratisches Prinzip, er ist überall! Er schert sich nicht um die Bedeutung von Orten, seien es Kirchen oder Museen. Der banale Hausstaub, der gesammelt, archiviert und heute hier ausgestellt wird, zeigt auch den hohen Stand unserer Kultur. Denn er ist deren verhasstes Anhängsel. Egal wo auf der Welt, egal für welchen ehrwürdigen Anlass ein Gebäude errichtet wird, es wird sich dort Staub sammeln.
Ist es Unsinn, wenn man dem Staub, mit dem wir uns körperlich und auch geistig – wir ärgern uns schließlich über ihn – so oft beschäftigen, versucht, einmal positiv gegenüber zu stehen? Das Denken in neuen Kategorien erweitert ja den Horizont. Für den Künstler hat Staub noch eine indirekte positive Bedeutung erlangt, durch die Beschäftigung mit dem Staub kommt es zur Kommunikation über ihn. So steht er im Briefverkehr mit einer Reihe von Institutionen, um in bestimmten Gebäuden offiziell Staub sammeln zu dürfen. Hier ist anzumerken, dass Stöcker semantisch korrekt Staub sammelt und nicht wischt. So setzte weltweit ein Denken über Staub ein, welches sich einmal nicht mit seiner konsequenten Ausrottung beschäftigte. Zum Teil sehr amüsante Briefe hat er mittlerweile bekommen. Hilfsbereitschaft wie Unverständnis begleiten seine Aktionen und deshalb werden in der Präsentation des Staubarchivs auch diese Briefe gezeigt, ebenso wie Ansichten und Fotografien der Entnahmeorte.
Stöcker sammelt nicht allein, das ehrgeizige Projekt, Stäube aus aller Welt zu beschaffen, erfordert Helfer, sog. Staubscouts, die ihre Aufgabe ernst nehmen und daher wissenschaftlich korrekte Entnahmen durchführen. Hier zu sehen an den ausgewählten Beispielen, verschließbaren Beuteln mit Beschriftung, Foto und Datum.
10 Jahre Gegenwartskunst: Staubschrein, Zeichnungen und Reaktoren
Der Anlass der Ausstellung in Siegen war das 10-jährige Bestehen des Museums für Gegenwartskunst, in welchem er am 15. April Staub sammelte und diesen hier in einem Staubschrein präsentiert.
Der Schrein erinnert in seiner Form an mittelalterliche Reliqiuen-Schreine, doch ist hier kein blasphemischer Hintergedanke im Spiel, sondern die ironische Erhöhung des profanen Stoffes Hausstaub zu einem schützenswerten und erhaltenswerten Gut. Desweiteren sei der Gedanke erlaubt, dass auch die Reliquien oft nur mystisch überhöhte Fragmente sind. In der Ausführung entspricht dieser Schrein dann auch eher dem profanen Inhalt, rauhes Holz und breite Fugen erinnern mehr an eine solide Blockhütte als an einen reich verzierten Schrein, lediglich die Messing-Rundschrauben mit ihrem glänzenden Goldton sind ein zarter Verweis auf die berühmten Vorbilder. Staub war jahrhundertelang, auch im übertragenen Sinn, ein beliebtes Vanitas-Motiv – alles wird zu Staub.
Doch Stöcker ist nicht nur Leiter des deutschen Staubarchivs. Er ist promovierter Historiker, Stadtführer und arbeitet mit den klassischen Medien der Kunst, also Malerei und Zeichnung. Zwei Räume dieser Ausstellung zeigen daher neuere Zeichnungen, im Flur sind die ‚Horngötter’-Zeichnungen zu sehen.In einem weiteren Raum sehen wir eine eigene Typologie von Reaktoren. Diese entstanden im letzten Jahr als Reaktion auf die neu entflammte Debatte um Laufzeitverlängerungen deutscher Atomkraftwerke und stehen in keinem Zusammenhang mit der Katastrophe von Fukushima. Stöckers Intention war es, aufgrund der verbalen Verharmlosungen vieler Befürworter auch eine optische Verharmlosung vorzuschlagen. Man könnte die Reaktorgebäude doch sowohl architektonisch verändern, als auch spektakuläre Orte für sie wählen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.
Ästhetik der Gefahr: Neue Perspektiven auf Atomkraft in Zeichnungen
Was hübsch aussieht, kann nicht gefährlich sein. Und so denkt man bei der ersten Betrachtung auch an Schlösser, Burgen und Leuchttürme statt an Brennkammern und Siedebecken. Erst bei genauerem Hinsehen scheinen die Spitzen der Gebäude zu leuchten oder strahlen sie etwa?
Der beigefügte Text gibt dann Aufschluss über die gezeichnete Architektur. Es handelt sich durchweg um Reaktoren ganz neuer Typen mit oft klangvollen Namen wie Hermannsthaler Reaktorenkette oder festlicher Besichtigungstyp. Bei allen fehlen die kuppelförmigen Reaktorgebäude, die ein negativ besetztes Symbol darstellen und bei Stöckers Reaktoren daher fehlen. Die klassische Karikatur wird hier jedoch unterlaufen, indem das Lesen der Texte durch das Fehlen von Abständen erschwert wird. Ein Fließtext entsteht, den der Betrachter erst entschlüsseln muss. Die Kommentare bilden für sich Blöcke, wie auch die Zeichnungen Reaktorblöcke zeigen.
Im anschließenden Raum schließt sich der Kreis zum Staubarchiv. Statt realem Staub wird er hier in winzigen Zeichnungen künstlerisch bearbeitet. Alle Formen der Wollmaus sind zu sehen: Luftige, Eingesponnene, Zusammengeballte und Zerfaserte. Bei der häufigen Betrachtung von Wollmäusen durch den Künstler verwundert es nicht, dass auch hier verschiedenste Typen identifiziert wurden. Manche scheinen auszugasen, aus einigen wachsen organische Formen. Hier handelt es sich um detailreich und kleinteilig gestaltete Fantasiegebilde, die nicht unbedingt der Wollmaus unter dem Mikroskop gleichen, sondern zeigen, was der Künstler in ihnen vermutet, da ist auch der Bewuchs mit winzigen Tannenbäumchen nicht ausgeschlossen.
Ich wünsche Ihnen nun viel Freude und Anregung in der Ausstellung und dem Künstler, dass er noch viele Stäube für sein Archiv bekommt und vielleicht eines Tages etwas Sternenstaub.
Kirsten Schwarz
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